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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Artikel: There Will Be Blood (R: Paul Thomas Anderson, D: Daniel Day-Lewis)



Usul
12.03.2011, 00:36
B0014YT9JY
Regie: Paul Thomas Anderson
Darsteller: Daniel Day-Lewis, Paul Dano et al.
VÖ-Jahr: 2007

IMDB (http://www.imdb.com/title/tt0469494/) - OFDB (http://www.ofdb.de/film/130354,There-Will-Be-Blood)

Trailer:

http://www.youtube.com/watch?v=f3THVbr4hlY


Filmkritik:

Ich würde gerne sehr viel über den Film schreiben, aber vieles davon wären Spoiler... und jeden zweiten Satz möchte ich nicht in Spoiler-Tags verstecken. Könnten wir zumindest diesen Thread mit einer allgemeinen Spoiler-Warnung versehen und frei von der Leber schreiben? :)

Kurz zur Story: Anfang des 20. Jahrhunderts. Der Film beginnt damit, daß Daniel Plainview (Daniel Day-Lewis, Oscar-prämiert) in einem Stollen nach Silber sucht (alleine diese Sequenz am Anfang, die mehr als eine Viertelstunde ohne Dialoge auskommt und fast schon schmerzhaft intensiv ist, ist äußerst beeindruckend). Er wird am Ende auch fündig - allerdings findet er nicht Silber, sondern Öl!
Dies ist der Startschuß für seine Karriere als Ölmann, wie er sich selbst gerne nennt, die ihn innerhalb weniger Jahre zu einem reichen Mann werden läßt. Irgendwann, als er schon mit einigen wenigen Bohrtürmen im Geschäft ist, bekommt er von einem jungen Mann namens Paul Sunday einen wertvollen Tip: Es gibt da ein kleines Städtchen mitten in der Pampa; dort wächst eigentlich nichts, die Leute leben von Schafzucht. Aber seit kurzem ist dort Öl an der Erdoberfläche zu finden. Ein Zeichen dafür, daß unter der Erde ein großes Erdölvorkommen verborgen liegt.
Plainview macht sich mit seinem Ziehsohn H.W. - dessen wirklicher Vater bei einem Bohrunfall stirbt und den Daniel Plainview gerne auch bei Verhandlungen mit den Menschen einsetzt, um sich als Familienmensch darzustellen - auf in die besagte Stadt, kauft das ganze Land auf und beschäftigt die Leute dort an den Bohrungen. Der einzige Dorn in seinem Auge ist ein junger Prediger und Wunderheiler - Eli Sunday, seines Zeichens Zwillingsbruder von Paul Sunday - der seine Gemeinde genauso aggressiv zu vergrößern versucht wie Plainview sein Vermögen und seine Anhängerschaft. Somit haben wir hier auch eine Konkurrenz, die sich durch den ganzen Film ziehen wird, insb. angesichts der Tatsache, daß Plainview nicht gerade als religiös bezeichnet werden kann.

Das ist nur ganz grob der Grundriß der Geschichte. Was Regisseur Paul Thomas Anderson allerdings lose basierend auf Upton Sinclairs Roman "Öl!" und mit Hilfe seines Hauptdarstellers Daniel Day-Lewis hier abliefert, ist - um es klipp und klar zu sagen - ein epochales Meisterwerk, das zurecht jetzt schon in einem Atemzug mit früheren Giganten wie Citizen Kane, Pate 1+2, 2001usw. genannt wird!

Vor allem anderen fällt natürlich zuerst die Leistung von Daniel Day-Lewis auf, die eigentlich kaum zu beschreiben ist und stattdessen erlebt werden muß! Er spielt nicht die Rolle des Daniel Plainview, er IST Daniel Plainview. Dabei ist er so beeindruckend, daß er selbst besser als der junge Brando oder etwa de Niro in seinen besten Rollen wirkt. Mit dieser Rolle wird man ihn noch nach 50 Jahren identifizieren, da bin ich mir sicher. Dabei ist der Charakter Plainview zum Glück nicht so eindimensional wie etwa Bill the Butcher aus Gangs of New York es teilweise war, sondern bietet genug Eigenschaften, die DDL perfekt darstellt.
Im Übrigen halte ich nichts von den ganzen Rezensionen, in denen Plainview als das personifizierte Böse oder so bezeichnet wird - denn das ist er definitv nicht. Seine einzige Schwäche und zugleich Triebfeder ist seine Gier - vor allem nach Geld und auch nach Liebe, wie ich finde. Somit ist der Film weniger eine beißende Kritik am amerikanischen Wertesystem, am Erdölgeschäft oder etwa an den Parallelen zwischen Religion und Kapitalismus, wie das teilweise kolportiert wird, sondern eine grundsätzliche Analyse dieser einen urmenschlichen Schwäche - der Gier. Damit könnte das Setting jedes beliebige sein... Plainview muß nicht zwangsläufig ein Ölmann sein, er könnte z.B. Politiker sein, Chefredakteur, Fabrikant, einfacher Arbeiter oder was auch immer. Der Film würde in jedem beliebigen Setting funktionieren, weil es eben nicht um eine Kapitalismuskritik geht.

Weitere Pluspunkte sind die weiteren, größtenteils unbekannten Darsteller, die zwar gegen die erdrückende Leinwandpräsenz von DDL keine Chance haben, aber ihre Sache dennoch gut machen. Vor allem Dillon Freasier als H.W. Plainview und Paul Dano als Paul/Eli Sunday wissen sehr zu gefallen.

Weiters wäre die tolle Kameraarbeit zu nennen (ebenfalls Oscar-prämiert), die es virtuos versteht, schwelgerische Naturaufnahmen, düstere Shots im Dunkeln der Erde oder der Nacht und vor Kraft strotzende Ereignisablichtungen zu kombinieren, und damit visuell einen ähnlich zerrissen-differenzierten Eindruck zu hinterlassen, den man auch mit dem Charakter von Plainview hat.

Auch die Musik paßt hervorragend zum Film... verantwortlich dafür zeichnet Jonny Greenwood, seines Zeichens Gitarrist von Radiohead, der weniger einen herkömmlichen Soundtrack kreiiert hat, sondern "vielmehr vertonte Stimmung und Gefühle", wie ein guter Freund es passend ausgedrückt hat. Man meint fast, daß sie eher einem europäischen Autorenfilm entstammen könnte, was die Kopflastigkeit des Films verstärkt, die trotz der klassischen Hollywood-Visualität eindeutig evident ist.

Kurz zusammengefaßt: Ein Meisterwerk, das sehr viel Platz für Interpretationen läßt und sicherlich kein einfacher Film für zwischendurch ist. Wer sich darauf einläßt, wird durch einen Film belohnt, der meiner Meinung nach der beste Film seit längerer Zeit ist und ganz allgemein zu den Top 10 Movies überhaupt gehört (und nicht nur die #26 ist, wie momentan bei IMDB - das nur so als kleiner Hinweis für das Bauchgefühl des einen oder anderen ;)).

Es kann dafür keine andere Note geben als volle 10 Punkte!