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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Ersteindruck: Cheyenne - This Must Be The Place



MOS2000
13.11.2011, 01:46
Diane,

im Kino gewesen. In Frankfurt. Schöne Kinos haben sie da.
Cheyenne läuft im kleinsten Saal des Cinestar Metropolis – drängende Enge an der Concession im Erdgeschoss, doch wir sind schlauer...im oberen Stockwerk ist noch eine. Und dort erlegen wir unsere Kino-Grundausstattung. Menü - Ein Mittleres Popcorn und eine 1,0l Pepsi light. 8,40 Eur (angeblich reduziert von 9,64 Eur, aber das steht auf dem Schild seit 2 Jahren) Mal davon abgesehen, dass Pepsi an sich schon Teufelszeug ist...ich könnte mich jetzt übers Popcorn in Rage reden. Tue das natürlich nicht. Vielleicht ein ander mal. Reihe B - Sitz 8 und 9. Perfekt (die Unglücklichen der Reihe A stellen fest, dass diese Reihe nur aus 4 nachgelagerten Notsitzen besteht, die irgendwie noch in den Saal gepasst hatten als alle Stühle schon drin waren.)

Doch was ist drin in dem Film, der startet, nachdem einem das Kino viel Spaß beim Film gewünscht hat, dann aber der Film nicht beginnt, sondern eine Volksbiermarke dann nochmals gute Unterhaltung wünscht?

http://heimkinotreff.com/attachment.php?attachmentid=2229&d=1321147076

Gen Westen...gen Westen!
Nun, zunächst mal ist es ein Roadmovie, also ein Genrefilm über jemanden der ein Reise tut und sich dabei vornehmlich auf den endlosen Tangenten der nicht existenten Hypotenusen von US-Highways fortbewegt. Es ist Cheyenne (Sean Penn), der, sichtlich gealtert aufbricht um den KZ-Peiniger seines Vaters zu finden. Dieser weilt, nach Informationen die bruchstückhaft aus einem Tagebuch des gerade gestorbenen Vaters hervorgehen, irgendwo in den USA noch unter uns. Und da Cheyenne sowieso ein Problem mit dem Erwachsenwerden hat, beschliesst er nun diesen Nazi-Schergen aufzustöbern und – er weiß es selbst nicht so genau, kauft aber schon mal ein dicke Wumme – um die Ecke zu bringen. Vielleicht läßt sich damit das über 30 Jahre erkaltete Verhältnis zu seinem Vater irgendwie wieder kitten...

Ist das Action?
Das Ganze klingt jetzt doch sehr straight, ist es aber nicht.
Der Film startet in Dublin, wo Cheyenne, der vor 20 Jahren mal Rockstar war, zusammen mit seiner Frau (Frances McDormand) zurückgezogen in einem sehr sterilen Gutshaus wohnt. Er macht keine Musik mehr seit sich Teenager zu seinen Noten umgebracht haben. Die Tage kriechen so vorbei, man ist erstarrt in dekadentem Luxus, den man sich dank der verkauften Platten leisten kann. Seine Frau ist der Sonnenschein der alle Zügel in der Hand hält und Cheyenne dazu bringen möchte die Schuldgefühle aufzugeben. Aber Cheyenne ist vom Rock'N'Roll nicht geknackt worden...die Spuren von Sex & Drugs haben keine tiefen Wunden hinterlassen...im Gegenteil, der Mann ist eigentlich fit...trägt halt bloss schwarze Klamotten, Schminke und eine Wuschel-Steckdosen-Frisur. Man meint seine depressive Phase müßte ihn jeden Moment dazu bringen umzufallen, so gebrochen, fertig und gelangweilt scheint dieser Typ...nebenbei hat man ihm eine flüsternde, hohe Fistelstimme verpasst, die die wortkargen Kommentare zusätzlich trostlos erklingen läßt. Also: keine Action will ich eigentlich nur sagen.

Doch, er ist ganz anders
Dann stribt also sein Vater, und das bewegt Cheyenne dazu sich zum ersten Mal wieder auf die Tour zu begeben...ab nach New York, aber vorm Fliegen hat er Angst, also mit dem Schiff, was natürlich ewig dauert (im Film selbst wird das in 2 kurzen Einstellungen abgearbeitet) und ihn zu spät kommen läßt. Die KZ-Häftlingsnummer am Arm seines toten Vaters und das Auftauchen des "Chef-Nazi-Jägers" wecken dann in ihm den Wunsch nach Aufklärung, und so beginnt seine weitere Reise, die ihn durch seltsame Welten innerhalb des "Land of the free" taumeln läßt. Beginnend in der jüdischen Subkultur New Yorks (er kommt aus einer jüdischen Familie) bis hin zu schlauen Truckern die anhand eines brennenden Dodge den Fehler im System erkennen. Obwohl er so ein exzentrischer Charackter ist, findet er trotzdem problemlos einige Freunde die sich mit ihm tatsächlich fast normal unterhalten (oder gar nicht...also wirklich gar nicht) und ihm sogar ein Auto geben. Und das sind auch die stärksten Momente des Filmes. Das Tischtennis-Spiel in einem gottverlassenen Diner irgendwo in den Leeren der USA-Einöden ist super!


http://heimkinotreff.com/attachment.php?attachmentid=2232&d=1321148468
Ich kenne das
Der Film hat mich sehr stark an Jarmuschs "Broken Flowers" erinnert, weil auch dort der Protagonist durch eine Welt reist zu der er irgendwie gar nicht mehr gehört. Oder an Interviews mit Marilyn Manson, der auf mich immer einen sehr ruhigen und gefassten Eindruck macht, obwohl er dasitzt wie ein explodierteas Huhn. Der ganze Trip erscheint surreal verklärt, allerdings nicht auf die mega-stressige Art eines "Fear And Loathing In Las Vegas", sondern ultralangsam hypnotisch. Ein Fremdkörper, der eigentlich nichts weiter als ein Mensch auf der Suche nach seiner eigenen Normalität ist, treibt auf der Woge der Zivilisation dahin – gewiss dass diese Welle aus Schwachsinn, doppelmoral und Idioten niemals bricht.

Musik bitte...
Da es um einen Musiker geht hat die Musik selbst natürlich auch ihren Auftritt, und zwar in Gestalt von David Byrne, seines Zeichens Mastermind der "Talking Heads". Der wirkt, abgesehen von dem kurzen Live Auftritt der eine sehr fesselnde Bühnenshow bietet, als müsse er jetzt unbedingt in die Fußstapfen von Peter Gabriel treten und unbedingt zeigen wie kreativ und erfolgreich er immer noch agiert...eher seltsam.
Aber insgesamt ist der Soundtrack, der auch von Byrne stammt, sehr schön getragen und unterstreicht die Bilder hervorragend.


http://heimkinotreff.com/attachment.php?attachmentid=2230&d=1321147604
Was, wenn wir alle die Idioten sind?
Insgesamt ist der Film eine Abrechnung mit US-Bürgertum und Spießigkeit, die allenorten ins groteske Überzeichnet hervortreten. Also eine Geisterbahn bei der wir als Zuschauer immer eine Kamera ganz vorne am Wagen des Hauptdarstellers sind, aber nie in seine Richtung blicken sondern immer nur in sein Gesicht. Insofern fühlen wir uns ein wenig schuldig, dass wir so konservativ, so seltsam sind. Die Gags, über die Cheyenne selbst so krächzend lachen kann, sind stets zu unseren Ungunsten. Im Verlauf unserer Kinominuten wird er immer normaler und alle Anderen immer verrückter. Wie so oft im Kino, wenn es eine Randgruppe beleuchtet ("Edward Mit Den Scherenhänden" ist eine ganz ähnliche Figur)


http://heimkinotreff.com/attachment.php?attachmentid=2231&d=1321148089
Ich spanne
Nein, nicht das was BergH denkt...es geht um den Spannungsbogen, der durchaus vorhanden ist, das Thema ist ja schließlich was ernstes. Man will den Film auf jeden Fall bis zum Ende sehen, so wie ich auch "Walhalla" durchgehalten habe (zum Glück gibts in "Cheyenne" keine 20 Minütige Nebel-Schiffsreise, die hätte mich fast geschafft ;)). Und irgendwie fehlen die Längen überhaupt. Der Regisseur findet eine ganz gute Mischung die Sequenzen kurz zu halten und Cheyenne trotzdem viel Zeit zu geben. Man spürt schnell, wie diese Reise Cheyenne wieder neues Leben einhaucht, auch wenn das an seinem immer gleichen Outfit nichts ändert ("The Cure" haben hier ziemlich offensichtlich Pate gestanden). Ein paar platte Sprüche im Stile von "Anfänger-Philosoph-trifft-einfachen-Charackter-und-sagt-was-Schlaues" verzeiht man insgesamt.

Außerdem:
_ habe ich mich gefreut Harry Dean Stanton mal wieder zu sehen
_ gibt es Hunde als Sympathieträger
_ huldigt man dem Rollkoffer
_ verneigt man sich vor dem mächtige Dodge RAM
_ verneint man die eigenen Fans (Pfui! Böse! Spalter!)
_ Gehts zum Kaffeetrinken in die Mall
_ Gibts keine Sexszene, was ich persönlich sehr gut finde. Ich kann keine langweiligen Sex-Szenen mehr sehen.
_ ist dieses Review viel zu lang, keine Ahnung wieso, aber wer mich kennt, der weiß dass ich ab und zu mal zuviel texten muss. Irgendwie.


Ich gebe
6 von 10 Rollkoffern

http://heimkinotreff.com/attachment.php?attachmentid=2233&d=1321148709

Und ich wundere mich, dass ich diesen Film jetzt gerade sehen musste, wo ich quasi Zeitgleich beschlossen habe, dass ich mir wieder mal ein Paar Doc Marten Schuhe kaufen muss.

IMDB:
»»»klick (http://www.imdb.com/title/tt1440345/)

Liebe Grüße
MOS2000

korken
13.11.2011, 02:49
Ich weiß, dass dieser Film nichts für mich sein wird.
Aber Respekt für dieses Review zu dieser Uhrzeit. :ja:

flash77
14.11.2011, 10:20
Schönes Review - habs jetzt zwar nicht ganz gelesen... aber ich glaub der Film ist auch nichts für mich!

goemichel
14.11.2011, 11:24
Danke für diese - wie immer - etwas strange formulierten Zeilen. ;)

Als ich das Foto von Sean Penn in der stern-Filmbesprechung gesehen hab, war mir sofort klar: das ist was für meines Vaters Sohn.
Allerdings bezweifle ich, dass ich ihn mir im Kino antun werde...

BergH
14.11.2011, 16:18
tach auch !

ich spanne , nei nicht das was Ihr jetzt denkt, das Banner :
"Danke für diese Review zu einem Film den
ich mir wahrscheinlich nie ansehen werde", auf.

Ganz im Ernst : Danke Mos2000,
ich mag nicht nur Deine Musik (teilweise) , sondern auch Deine Reviews. :)

MOS2000
14.11.2011, 16:27
Seht Ihr eigentlich die Bilder noch?
Ich bin von der Arbeit aus eingeloggt momentan...und ich sehe keine Bilder mehr...
:(

Edit:
Von zu Hause aus das Gleiche...
Grrrrmmmmbl....
/Edit

Liebe Grüße
MOS2000

goemichel
14.11.2011, 18:56
Nu sind se da....

MOS2000
14.11.2011, 19:25
Bei mir nach wie vor nicht...wenn ich allerdings die Bilder nochmal einfüge, dann überschreite ich die zulässige Bilder-Höchstzahl...sie müssen also drin sein.
Ich muss mal den Fuchs ausmisten glaub ich...

Liebe Grüße
MOS2000